Mitteilungsblatt der Gemeinde Wenzenbach

AuS der gemeinde Ausgabe 05/2024 Amtliches Mitteilungsblatt Wenzenbach 35 in den letzten Jahren sind uns Kriege wieder erschreckend nahegekommen. Der Gedanke, dass sie sich weiter ausbreiten und die Welt erneut ins chaos stürzen könnten, bereitet vielen menschen sorge – zumal das ende des letzten Weltkriegs vor 79 Jahren im Grunde noch nicht so lange her ist. Die Zahl derer, die es miterlebt haben und davon erzählen können, wird jedoch immer geringer. Umso wichtiger ist es, die erinnerung auch an diese Vergangenheit wach zu halten, und zwar nicht nur an die großen politischen ereignisse, sondern insbesondere auch an die erlebnisse einzelner. im nachlass martin raucheneckers (s. amtsblatt april 2023) befand sich neben Dokumenten aus dem Leben des ehemaligen Wenzenbacher Lehrers die abschrift eines Kriegstagebuchs. es stammt von einem teilnehmer des Polenfeldzuges zu Beginn des 2. Weltkrieges und erzählt von der Zeit zwischen 6. august und 12. oktober 1939 – vom aufbruch aus regensburg in richtung Polen bis hin zur (vorläufigen) rückkehr in die heimat. Von rauchenecker selbst stammen die aufzeichnungen nicht, denn er nahm aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes infolge einer im 1. Weltkrieg erlittenen Verletzung nicht an den Kämpfen teil. Die identität des Verfassers ließ sich bislang nicht ermitteln; die weiteren Unterlagen in raucheneckers nachlass geben keine hinweise. einzelne Bemerkungen im tagebuch deuten darauf hin, dass der Vorname des soldaten heinrich lautete. er gehörte der 7. Batterie des artillerie-regiments 10 an. nach auskunft des Bundesarchivs, das die maßgeblichen militärunterlagen verwahrt, lassen sich im fraglichen Zeitraum für die einheit ganze 49 Personen mit diesem Vornamen nachweisen. Wer auch immer der Verfasser war, seine aufzeichnungen vermitteln einen eindruck der erlebten schrecken und härten, obwohl sie meist knapp und nüchtern gehalten sind, heinrich ein Kind seiner Zeit und von der Propaganda des Dritten reichs sicher nicht unberührt geblieben war, wenngleich keinerlei Bemerkungen in Bezug auf den Führer oder das Deutsche reich enthalten sind. Da das Kriegstagebuch nicht im original vorliegt, wissen wir allerdings nicht, ob beim abschreiben ggf. weggelassen wurde, was aus späterer sicht problematisch erschien. Dies gilt es bei der Lektüre der aufzeichnungen im hinterkopf zu behalten. Über die ersten tage des Feldzuges schrieb heinrich: „31. august 1939: 19 Uhr marschbefehl! ausgabe von munition, der eisernen Portion, erkennungsmarken usw. Bei Dunkelheit zur Grenze Groß-Wartenberg, dort Bereitstellung. Gegen 1 Uhr erreicht. in einer Laube geschlafen. – 1. september 1939: 4 Uhr 15 Kriegsbeginn. in der Ferne Geschützdonner. Fragend schauten wir uns an, wie der Krieg wohl aussehen mag. Die stadt noch voller Jubel. Um 7 Uhr 40 die ehem. Grenze überschritten. etwa 100 m dahinter der erste tote. ein deutscher Gefreiter von Freischärlern [= angehörige einer paramilitärischen Gruppe] erschossen. ernstes schweigen bei allen. Jeder mit seinen Gedanken beschäftigt. Wann trifft dich die Kugel? noch reibungsloser Vormarsch durch deutsche Dörfer. am mittag die erste Feuerstellung bezogen. einige schüsse genügen, um den Feind wieder in marsch zu setzen. Kurze rast! Die ersten brennenden Dörfer tauchen auf. amnachmittag offener Beschuss polnischer Kavallerie. Beim Vormarsch durch den Wald die ersten polnischen Gefallenen gefunden, die wir mit scheu und einigen Gruseln betrachteten, dann aber näher untersuchten. Die scheu vor den toten ist gewichen. […] – 2. september: […] Plötzlich knallte es aus allen häusern. Überfall durch Freischärler. einige Pferde verloren. sofort zündeten wir alle häuser an und setzten unseren marsch fort. an diesem tage wurde jedes haus an der Vormarschstraße in Brand gesteckt. Gegen abend musste ich noch zwei Pferde einholen, um einen Wagen nachzuziehen. Überall weinende Frauen und Kinder, elend und doch wieder hinterlist […].“ Der soldat berichtete von heftiger Gegenwehr durch Partisanen und polnische truppen, vom Willkommensjubel in deutschen Dörfern, von endlosen märschen auf staubigen straßen, von der Verpflegung und demWetter. am 10. september dokumentierte er den ersten menschlichen Verlust in der eigenen truppe: „[… ] Die Vernichtungsschlacht imWeichselbogen hat begonnen. es entwickelt sich ein lebhafter Kampf bei traby. in den abendstunden fällt der erste unserer Batterie: Gefreiter Grünert, durch einen Granatsplitter getötet bei Do chruslin. Die nacht ist unruhig, Zivilbevölkerung und Kavallerieteile beunruhigen unsere stellungen.“ am 11. september weitere tote und die erste niederlage: „[...] Der Feind ist zu stark. » Fundstücke aus dem Gemeindearchiv Aus einem Kriegstagebuch von 1939 Deckblatt des Kriegstagebuchs. BiLD: Dr. KatJa PUtZer, GemeinDearchiV WenZenBach

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