Mitteilungsblatt der Gemeinde Pentling
lichkeit aufgenommen wurde“ (Bulle „Munificentissimus Deus, 01. November 1950). Allerdings war diese Vorstellung schon seit Jahrhunderten in der Kirche geläufig. Nachdem die ersten fünf Jahrhunderte mit der Frage befasst waren: Wer ist Jesus von Nazareth?, wandten sich die Christen anschließend dem Problem zu, welches das letzte und endgültige Schicksal des Menschen in der Nachfolge Jesu des Christus sein werde. Sie waren sich schnell einig darin, dass man das wohl am bes- ten an der Gestalt Marias ausmachen könne. Sie war die radi- kal Gott, dem Vater ihres Kindes, Glaubende – glauben an Gott als den Vater Jesu aber ist das Alleinstellungsmerkmal der Christen in der Kirche. Seit dem 6. Jahrhundert gelangt man mit wachsender Klarheit zur Ansicht: Wenn jemand Gott ganz und gar und in allen Stücken vertrauen, Liebe, also eben Glauben, entgegenbringt, dann wird dieser ihn nach dessen Lebensabschluss nicht fallen lassen wie eine heiße Kartoffel. Er wird ihn in Erwiderung dieser Lebenseinstellung aufneh- men in seine Herrlichkeit, in den Himmel, wie man sich volks- tümlich ausdrückte. Dann aber war Maria der Mensch, von dem man das ohne Reserve schon heute, vor dem Abschluss der Weltgeschichte aussprechen durfte. So wurde der 15. Tag als Fest ihrer „Entschlafung“ schon in manchen Gebieten seit dem 6. Jahrhundert begangen; nach Rom kam es hundert Jahre danach. Was Pius XII. von der Loggia der Peterskirche proklamierte, war nur das Siegel auf eine Urkunde, an der lange schon geschrieben worden war. Die große Schwester im Glauben und wir Wie der kurze historische Hinweis schon andeutet: Wenn die Kirche ihr Augenmerk auf Maria richtet, tut sie das nicht in erster Linie zu ihren Ehren und zur Bestimmung ihrer Stel- lung in der Geschichte. Vielmehr ist die Mutter Gottes stets zu sehen als die große Schwester aller Glaubenden. Statt „Maria“ kann man in der theologischen Besinnung immer auch „Kir- che“ sagen. Statt „Kirche“ kann man desgleichen immer auch „Christmensch“ sagen. Was also das Dogma von 1950 fest- stellt, hat Konsequenzen für uns, für je mich. Gleichgültigkeit gegenüber demHimmelfahrtsfest ist also auch eine Art Selbst- geringschätzung. Denn die Antwort, die es geben will, geht mich zuinnerst, zu- tiefst, grundbestimmend an. Sie lässt sich ausschreiben in dem Satz: Gott ist mir gegenüber bis zum Letzten der getreue, der liebe Gott! Er hat mich geschaffen, weil er es für gut fand, dass ich sei; er hat mir seine erlösende Gnade geschenkt er hat mich lebenslang gehalten und geführt. Und wenn ich das auch nur ein wenig erkannt und anerkannt habe, dann vollendet Gott seinen Schöpfungsplan – er beruft mich in seine Herrlichkeit. Verherrlichung, das ist mithin der Sinngehalt des Himmel- fahrtsgedankens; Verherrlichung bei Gott, das ist die christli- che Letztantwort auf die Letztfrage Kants: Wohin gehen wir? Justierung des Lebenskompasses Die Feierzeit ersehnen wir als ein Loslassen der täglichen Sor- gen, Hast und Not, als Entspannung und Entschleunigung. Lateinisch heißt sich erholen recreare, eigentlich: eine neue Schöpfung werden. Das aber bedeutet auch, dass man sich sel- ber wieder ins Lot bringt und aufs Wohin ausrichtet, mithin die Zielfrage ins Visier nimmt. Das Hochfest mitten in diesen Wochen, welches die Verherrlichung Marias bei Gott als gan- zer Mensch (mit Leib und Seele) vor unsere Augen stellt, hilft uns gut, dem Urlaub, den Ferien einen richtigen und tragen- den Sinn zu verleihen. Wenn es gelingt, darf man Glück wün- schen – sich selber und allen anderen Menschen, die dabei helfen. Notfalls kann das auch der „faule Pfarrer“ sein. Viel- leicht rührte seine Ruhe ja nur davon her, dass er selber mit der Zielorientierung beschäftigt war. text: proF. dr. WolFgang Beinert 9 Pentlinger Mitteilungsblatt Ausgabe 09/2020 Aus der gemeinde Marienstatue in der Kirche in Pentling Die aktuelle Online-Ausgabe als PDF und ePaper finden Sie unter: www.pentlinger-mitteilungsblatt.de
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