Pentlinger Mitteilungsblatt
historische seite 16 Pentlinger Mitteilungsblatt ausgabe 02/2019 Chroniken von Dörfern beginnen meist mit der ersten urkund- lichen Erwähnung im Mittelalter. Die Archäologie mit ihren in den letzten Jahren enorm verfeinerten Methoden (insbe- sondere der Luftbildarchäologie) kann aber auf noch frühere Jahrhunderte sicher verweisen. Graßlfing darf in eine Reihe mit den Dörfern des Gäubodens gestellt werden: Denn wir können davon ausgehen, dass der Ort bzw. die unmittelbare Nachbarschaft schon spätestens seit der Jungsteinzeit, also seit 7.000 Jahren, ununterbrochen besiedelt ist. Jungsteinzeit (ca. 5.500 – 1.800 v.Ch.) Der Übergang von mittelsteinzeitlichen Jäger- und Sammler- kulturen zu sesshaften Bauern mit Haustieren und gezieltem Pflanzenanbau kennzeichnet die Jungsteinzeit; Zuwanderun- gen aus Nahost waren die Ursache für diese „neolithische Revolution“. Unsere Vorfahren bauten sich hölzerne Langhäuser und lebten in kleinen dörf- lichen Gemeinschaften. Sie benutzten noch Werkzeuge aus (Feuer-)Stein, die nun aber nicht mehr geschlagen, son- dern entsprechend geschliffen wurden. Die ältesten Siedlungsgebiete in Graßlfing sind laut BayerischemDenk- malatlas der südliche Bereich des Dor- fes, zum einen beiderseits der Kirsch- straße zwischen Mattinger Weg und Dorfstraße, zum andern im Bereich Rohrweg – Lärchenweg – Bruckgartenweg. Die Funde verwei- sen auf die Phase der Linearbandkeramik (ca. 5.000 – 4.600 v.Ch., d.h. Verzierung der keramischen Gefäße mit einem Bandmuster aus Linien) und auf die Stichbandkeramik (ca. 4.500 – 3.800 v.Ch., d.h. die Verzierung der Keramik erfolgte mit Stichen in den Ton). Bodendenkmäler zur Jungsteinzeit finden wir zur Genüge auch außerhalb des Ortes in einem Halbbogen von Westen bis Südosten. Bronzezeit (ca. 1.800 – 800 v.Ch.) Innerhalb des Dorfes lassen sich auch bronzezeitliche Sied- lungen der Hügelgräberzeit nachweisen. Zwischen Graßlfing und Oberndorf stoßen wir auf Grabhü- gel der mittleren Bronzezeit (ca. 1.600 – 1.300 v.Ch.), südwestlich vom Dorf auf verebnete Grabhügel (siehe Beitrag im letzten Heft). Wir finden im Ort aber auch Hinweise auf Siedlungen der sog. Urnenfelderzeit (ca. 1.300 – 800 v.Ch.), d.h. die Toten wurden ver- brannt und dann in Urnenfriedhöfen beigesetzt. Erste Eisenzeit – Hallstattzeit (ca. 800 – 500 v. Ch.) Ab ca. 800 v.Ch. entstand in Mitteleu- ropa die sog. Hallstattkultur, benannt nach einem großen Gräberfeld amHallstätter See im Salzkam- mergut. Wichtigste kulturelle Neuerung war das Eisen. Es ver- drängte die Bronze als Werkstoff des täglichen Bedarfs immer mehr. Die fortgeschrittene Technologie der frühen Eisenzeit zeigte sich in einer hochentwickelten Metallverarbeitung und spezialisierten Keramikproduktion. Im Bereich Rohrweg – Lärchenweg – Bruckgartenweg sind Siedlungen aus der Hall- stattzeit nachweisbar, ebenso südwestlich vom Dorf und in Richtung Hochstetten. Zweite Eisenzeit – Keltenzeit – Latènezeit (ca. 500 – 15 v.Ch.) Nach dem Schweizer Fundort La Tène (am Neuenburger See) wird diese Phase der keltischen Besiedelung benannt. Viele neue und eigentümliche Formen der Kunst und des Hand- werks sowie die gesteigerte Anwen- dung des Eisens kennzeichnen diese Periode. In Graßlfing finden sich Spu- ren der keltischen Besiedelung eben- falls im Bereich Rohrweg – Lärchen- weg – Bruckgartenweg, ferner beider- seits des Hölzlwegs sowie südlich vom Dorf. Römische Zeit (15 v.Ch. – 488 n.Ch.) Drei römische Landgüter („villa rus- tica“), wahrscheinlich aus dem 3. oder 4. nachchristlichen Jahrhundert, sind im Boden von Graßlfing und südlich davon versteckt. Die „villa rustica“ war Mittelpunkt eines landwirtschaftlichen Betriebs; der ummauerte Hof umfasste Hauptgebäude sowie Wirt- schafts- und Nebengebäude, z.B. ein Badhaus. Südlich vom Dorf, westlich der B 16 hat man eine Siedlung aus der römi- schen Kaiserzeit entdeckt, wahrscheinlich ein Offizierslager. Frühes Mittelalter Ab der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunderts n.Ch. oder auch später besiedelten elbgermanische und keltoromanische Sippen das spätere Baiern. Den schon vorhandenen (vielleicht verlassenen) Ort besetzte ein Anführer namens Grasulf mit seinen Leuten. „Grasulf“ kann als „strenger Wolf“ übersetzt werden [ahd. grazzo = streng; ulf = Wolf]. Da dieser Name bei den Langobarden recht beliebt war, könnte es sich im Fall Graßlfing sogar um eine langobardi- sche Sippe gehandelt haben. Erste urkundliche Erwähnungen Die ersten urkundlichen Erwähnungen sind: 1120/40: Grasolvingen; 1147: Grasolving; 1138: Grasolvingin; 13. Jh.: Grasolvinge, Grasolvingen. Es wird ein Geschlecht der Grasolvinger mit eigenem Wappen (drei waagrechte Ortsgeschichte Graßlfing Rekonstruktion einer Villa rustica Quelle: denkMAlAtlAs bAyern Kirche St. Nikolaus Grasslfing Foto redAktIon
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